Positionspapier: „Gutes Leben im Saarland: Neue Chancen für Kinder.“

Die Saarlandklausur von SPD und saarländischer SPD-Landtagsfraktion beschließen Positionspapier gegen Kinderarmut.
I. Kinderarmut im Saarland. Erkennen und handeln.

Kinder sind unsere Zukunft. Gerechte Chancen auf Bildung und soziale Teilhabe sowie ein Aufwachsen in Gesundheit sind von großer Bedeutung für ihr Leben und ihre persönliche Entwicklung – und damit auch für die Zukunft unserer Gesellschaft.

Im Saarland wurden zuletzt wieder mehr Kinder geboren. Dass sich mehr Menschen für Kinder entscheiden, ist eine erfreuliche Nachricht. Doch leider haben nicht alle Kinder die gleichen Start- und späteren Teilhabechancen. Auch heute gilt in Deutschland immer noch: Armut vererbt sich.

Im Saarland leben derzeit rund 26.000 Kinder in Haushalten mit SGB II-Bezug. Besonders von Armut betroffen sind dabei Alleinerziehende und „Patchwork-Familien“: Rund 10.000 Kinder im SGB II-Bezug leben in Alleinerziehenden-Haushalten unterhalb der Armutsgrenze. Bei Alleinerziehenden liegt die entsprechende Armutsquote bei 42 Prozent. Dazu fehlen ihnen häufig schulische oder berufliche Abschlüsse.

Kinderarmut ist die Folge der Einkommensarmut der Eltern – wegen prekärer Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, fehlendem Unterhalt oder weil sie ihre Kinder allein erziehen müssen.

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, gegen Kinderarmut aufzustehen und für eine neue soziale Gerechtigkeit zu sorgen: Für jedes Kind müssen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Jedes Kind soll gesund aufwachsen können. Jedes Kind soll gute Bildung genießen können. Jedes Kind soll gleiche Chancen auf ein gutes Leben haben. Kein Kind soll in Armut aufwachsen!

Was wir heute in den Kampf gegen Kinderarmut investieren, müssen wir morgen nicht über die Sozialsysteme ausgeben. Es gilt dabei der Leitsatz: Prävention geht stets vor Intervention. Nach dieser Maxime hat die SPD Saar in der Regierungsverantwortung bereits in der laufenden Legislaturperiode ressortübergreifend gehandelt. Der Einsatz gegen Armut im Saarland wird im „10-Punkte-Plan“ des Aktionsplans zur Armutsbekämpfung deutlich.

Auf diesem Engagement müssen wir aufbauen – mit einem Maßnahmenbündel auf Bundes- und Landesebene. Im vorliegenden Positionspapier liegt der Fokus auf den Maßnahmen auf Landesebene gezielt auf den Bereichen Bildung, Gute Arbeit und Ausbildung sowie Wohnen. Dieser Fokus wird im Sinne einer ganzheitlichen Armutsbekämpfung in der Folge um weitere Maßnahmen in den ebenfalls wichtigen Bereichen Sicherung von sozialer Teilhabe, Stärkung der Gemeinwesenarbeit gerade in sozialen Brennpunkten sowie der Umsetzung von weiteren Beratungs- und Präventionsprojekten zu ergänzen sein.

II. Kinderarmut im Saarland: Wir brauchen den Bund!

1. Gute Arbeit für die Eltern

Kinderarmut ist die Folge der Erwerbsarmut der Eltern. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn, der geplanten Regulierung der Leiharbeit sowie der Missbrauchsbekämpfung bei Werkverträgen sind bereits wichtige Maßnahmen eingeleitet. Diesen müssen jetzt weitere folgen: Der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit für Frauen und Männer muss mit dem Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit umgesetzt werden. Das Rückkehrrecht zur alten Arbeitszeit für Teilzeitbeschäftigte muss noch in dieser Wahlperiode eingeführt werden, und die sachgrundlose Befristung muss spätestens in der nächsten Wahlperiode abgeschafft werden. Für Langzeitarbeitslose und Berufsrückkehrerinnen müssen bedarfsgerechte Eingliederungsmaßnahmen finanziert werden. Für besonders schwer vermittelbare Arbeitslose muss ein dauerhaft öffentlich geförderter Arbeitsmarkt etabliert werden, finanziert über den Passiv-Aktiv-Transfer. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss für Frauen und Männer weiter verbessert werden. Mit der Einführung einer Familienarbeitszeit wollen wir längere Erwerbsunterbrechungen oder so genannte „kleine Teilzeit“ aufgrund von Kindererziehung oder der Pflege naher Angehöriger vermeiden.

2. Materielle Kinderarmut nachhaltig überwinden

Als erste Schritte müssen im jetzigen System bereits Änderungen vorgenommen werden, damit das sozio-kulturelle Existenzminimum der Kinder abgedeckt wird. Die Kinderregelsätze müssen an den Bedarfen der Kinder ausgerichtet werden. Es ist zu prüfen, ob die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe hierfür die geeignete Grundlage ist oder ob das „Warenkorbmodell“ nicht geeigneter ist.

Das Bildungs- und Teilhaberpaket muss unbürokratischer ausgestaltet werden, damit sichergestellt ist, dass alle berechtigten Kinder erreicht werden. Für die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket ist analog zu den Regelsätzen ein Anpassungsmechanismus anzuwenden.

3. Weiterentwicklung der Kinderförderung

Die heutige Kinderförderung ist nicht gerecht. Eltern mit hohen Einkünften erhalten durch den Kinderfreibetrag eine deutlich höhere Kinderförderung als diejenigen, die Kindergeld beziehen. Die Kinderförderung im Steuer- und Sozialrecht muss sich umgekehrt an der sozialen Bedürftigkeit ausrichten.

Sie ist derzeit insbesondere für die unteren Einkommensschichten nicht ausreichend. Der Kinderzuschlag für Geringverdienerinnen und -verdiener kommt längst nicht bei allen Bezugsberechtigten an. Mit der Anpassung der Regelsätze müssen die Einkommensgrenzen für den Kinderzuschlag und der Kinderzuschlag selbst regelmäßig angehoben werden. Die Anrechnung höherer Erwerbseinkommen darf im Ergebnis nicht zu einer geringeren Unterstützung und damit zu Fehlanreizen hinsichtlich der Ausweitung der Erwerbsarbeit führen.

4. Unser langfristiges Ziel: Der Systemwechsel zur Kindergrundsicherung

Der von den Wohlfahrtsverbänden 2013 weiterentwickelte Vorschlag einer Kindergrundsicherung ist ein möglicher Weg, um Kinderarmut nachhaltig zu überwinden. Eine Kindergrundsicherung muss eingebettet werden in ein umfassendes Konzept, das konkrete Vorschläge zur Finanzierung der Mehrkosten enthält.

5. Bildungschancen gerecht finanzieren

Bildung ist der beste Schutz vor der Armutsfalle. Der Bund muss wieder die Möglichkeit bekommen, gemeinsam mit den Ländern bei der finanziellen Ausstattung der Schulen die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland sicherzustellen und somit gleiche Chancen auf Bildung zu organisieren. Insbesondere für das Saarland als Haushaltsnotlageland mit seinen speziellen, strukturellen Problemlagen ist ein Engagement des Bundes im schulischen Bereich von Bedeutung. Daher setzen wir uns für die Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern auch im Bereich der Schulen ein.

III. Kinderarmut im Saarland: Wir müssen vor Ort handeln!

1. Bildungschancen sichern und Chancen durch Bildung nutzen

In der saarländischen Bildungspolitik haben wir in den vergangenen Jahren bereits sehr viel bewegt. Wir haben mehr Krippenplätze und Ganztagsschulen geschaffen und mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Damit haben wir für die Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht und für die Kinder Teilhabechancen gesichert und somit einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit geleistet. Darauf bauen wir auf, um…

…die frühkindliche Bildung zu stärken:

Nach dem quantitativen Ausbau wollen wir in die Betreuungsqualität von Krippen und Kindertagesstätten investieren. Wir werden die Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur im Saarland an den Bedürfnissen der Kinder und Eltern ausrichten. Im Kampf gegen die Kinderarmut gehört dazu insbesondere der weitere Ausbau von Ganztagsangeboten und eine bessere Ausstattung der Einrichtungen.

…mit mehr gebundenen Ganztagsschulen noch mehr zu erreichen:

Mit dem weiteren Ausbau von Ganztagsangeboten sollen noch mehr Kinder in allen Schulformen profitieren. Damit ermöglichen wir nicht nur eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch mehr Zeit für Bildung – unabhängig von der sozialen oder nationalen Herkunft der Kinder, ihren Entwicklungspotenzialen, Interessen und Bedürfnissen. Zudem streben wir einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz an.

…für eine gesunde, warme Mahlzeit in der Schule zu sorgen:

Kein Kind soll aus finanziellen Gründen in ganztätigen Schulen bzw. Betreuungseinrichtungen ohne Mittagessen bleiben. Kindern und Jugendlichen, deren Erziehungsberechtigte Arbeitslosengeld II- oder Sozialgeld-Empfänger sind, wollen wir in Ganztagsschulen und Betreuungseinrichtungen (wie Kindergärten oder der Freiwilligen Ganztagsschule) ein kostenloses Mittagessen ermöglichen.

2. Eltern in Gute Arbeit bringen – Zeit für Familie und Arbeit sichern

Es sind insbesondere die Familien von Kinderarmut betroffen, in denen Arbeitslosigkeit herrscht oder mehr als drei Kinder leben. Auch Kinder von Alleinerziehenden sind überproportional stark betroffen. Unser Ziel ist es daher, dass der Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf besser gelingt und beiden Eltern(teilen) ein Zugang zu existenzsichernden Arbeitsplätzen geschaffen wird…

…indem wir den Weg in Ausbildung begleiten:

Mit dem innovativen Modellprojekt „Lückenlose Betreuung“ im Landkreis Neunkirchen stellen wir sicher, dass alle Jugendlichen eine Chance auf eine berufliche Ausbildung erhalten: Wir stellen sicher, dass keine Jugendlichen an der Schnittstelle zwischen Schule und Beruf „verloren gehen“. Wir wollen nach einem Erfolg des Modellversuchs das Projekt auf alle Landkreise und den Regionalverband Saarbücken ausweiten. Dabei haben wir auch alleinerziehende junge Frauen im Blick, damit wir sie mit den Programmen der Ausbildungsförderung unterstützen können.

…mit einer neuen Familienkomponente in der Arbeitsmarktpolitik:

Wir wollen, dass kein Kind mehr in einer Familie aufwächst, in der die Erziehungsberechtigten keiner Erwerbstätigkeit oder keiner anderen tagesstrukturierenden Tätigkeit nachgehen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit den Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen und mit Unterstützung der Arbeitsverwaltung sicherstellen, dass der Rechtsanspruch auf einen Kita- und Kindergartenplatz auch für Langzeitarbeitslose umgesetzt wird. So erhöhen wir die Chancen für die Arbeitsaufnahme oder Verbessern den Zugang zu Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung. Dies hilft im besonderen Maße Alleinerziehenden.

… das saarländische Tariftreuegesetz zur Ausbildungs- und Familienförderung nutzen:

Wir haben mit dem saarländischen Tariftreuegesetz eine starke Möglichkeit geschaffen, um Gute Arbeit zu fördern. Hierauf bauen wir auf und entwickeln das Tariftreuegesetz weiter: Wir wollen neue soziale Kriterien zur Auftragsvergabe festsetzen wie die gezielte Frauenförderung, das Vorhalten von Ausbildungsplätzen oder die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen.

3. Wohnraum für Familien – bezahlbar in Stadt und Land

Bezahlbarer Wohnraum ist gerade für Familien mit mehreren Kindern eine wichtige Säule zur Armutsvermeidung. In Anlehnung an das Förderprogramm der Landesregierung zur nachhaltigen Dorfentwicklung und zur Schaffung von Flüchtlingsunterkünften wollen wir ein Programm für eine kinderabhängige Wohnraumsanierungsförderung auf den Weg bringen, das sozialen, aber auch ökologischen Kriterien Rechnung trägt. Dadurch wollen wir Wohnraum für Familien bereitstellen, der sowohl für das Zusammenleben mit Kindern, als auch zur Nutzung im Alter oder bei Behinderung geeignet ist. Damit dies gelingt, wollen wir vollumfänglich die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau und aus dem Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ weiterreichen.


Unsere Ministerpräsidentin: Anke Rehlinger.